008-Das Ende der Demokratie ?

Die Corona-Pandemie bietet willkommene Gelegenheit für Tyrannen und Autokraten jeglicher Couleur. Ganz konkrete Gefahren nehmen sie zum Vorwand, mündige Bürger zu bevormunden, die Gewaltenteilung zu schwächen, die Medien zu regulieren und Minderheiten zu verdächtigen. Autokraten können durchregieren und mit zupackendem Auftreten die Massen gewinnen. Eine Demokratie scheint da klar im Nachteil zu sein. Bei uns in Deutschland kommt noch hinzu, dass die förderale Struktur sowohl Vor- als auch Nachteile hat. Es gibt durchaus verschiedene Meinungen darüber, ob unser System bei der Bewältigung großer Probleme hilfreich ist oder doch eher Bremswirkung hat.

Die zweite Gefahr für die Demokratie lauert sozusagen in ihrem Inneren und macht mir zunehmend Angst. Es ist weniger der Virus selbst, sondern wie die Menschen darauf reagieren. Selbst in persönlichen Gesprächen (in den sozialen Medien sowieso) stoße ich immer öfter auf die Klage, man dürfe keine vom Mainstream abweichende Meinung mehr äußern. Diese Leute berufen sich meist auf einen dubiosen Experten im Internet oder erzählen vage von einem Bekannten, der dies und jenes gehört oder erlebt habe.

In der Regel geschieht das, um auf sich aufmerksam zu machen. Ich habe es bisher als Wichtigtuerei abgetan, die man nicht ernst nehmen muss. Das aber gelingt mir immer seltner; denn das Jammern und Schimpfen hat in unserem Land eine Dimension erreicht, die ich bedenklich finde.

Natürlich leidet auch meine Familie unter den Einschränkungen des Alltags- und Wirtschaftslebens. Natürlich drückt es auch bei uns ganz gewaltig auf die Stimmung, wenn wir unseren sechs Monate alten Enkelsohn für Wochen nicht mehr in den Arm nehmen können, obwohl die Familie nur zwei Kilometer entfernt wohnt. Wir versuchen außerdem, nicht daran zu denken, dass wir unsere zwei Kinder und die fünf Enkelkinder in Kanada dieses Jahr nicht mehr sehen werden. (Wer jetzt von Skype redet, dem entgegne ich wütend: “Soll ich vielleicht den Bildschirm küssen?!?”) Um mein kleines Jammer-Intermezzo zu vervollständigen, muss ich natürlich auch noch von der permanent nagenden Angst reden, die sich immer dann besonders bemerkbar macht, wenn mich beim Aufstehen irgendein Zipperlein plagt, das ich nicht umgehend einordnen kann, oder wenn ich zum x-ten Mal von der Risikogruppe “Rentner mit Vorerkrankung” in den Medien höre, bzw. lese. Dickfälligkeit muss ich mir also nicht nachsagen lassen.

Ich könnte an dieser Stelle auch einige Geschichten aus unserem Bekanntenkreis erzählen, die uns immer wieder vor Augen führen, das alles noch schlimmer kommen kann. Da ist das kleine Reisebüro unserer Freunde im Sauerland, das um seine Existenz kämpft. Da ist die schreckliche und doch so berührende E-Mail unserer langjährigen Freundin aus USA, die mit vollem Einsatz gegen Covid-19 kämpft, obwohl sie schon seit langem pensioniert ist. Realitätsferne muss ich mir also auch nicht nachsagen lassen.

Trotz all dieser persönlichen Betroffenheit, wundere ich mich zunehmend über die Unzufriedenheit meiner Mitmenschen und frage mich, ob ich selbst zu obrigkeitshörig geworden bin. Es wird über vermeintlich inkompetente Krisenmanager in Bund, Ländern und Gemeinden geklagt. Deren Amtsträger werden von selbsternanten Corona-Experten wahlweise als virologenhörige Trottel, Überwachungsfetischisten oder aber mutwillige Zerstörer der Volkswirtschaft dargestellt. Tatsächlich sind sie nichts von alledem, aber natürlich sind sie auch keine hellsichtigen Helden. Aufgrund unserer langjährigen Reisen und unserer zahlreichen persönlichen Beziehungen zu Kanada, möchte ich behaupten, dass Deutschland im internationalen Vergleich bisher einiges richtig gemacht hat.

Wie man sehen kann, habe ich aber den Titel mit einem Fragezeichen abgeschlossen. Warum?

Trübsalblasen hilft nicht weiter. Ein Gedicht schreiben schon eher. Das wäre die kurze, eher resignierte Antwort.

Die seriöse Antwort lautet:
Weil ich glaube, dass die Formel “Demokratie gegen Diktatur” zu kurz greift. Weil ich hoffe, dass die Bruchlinien ganz anders verlaufen, und zwar quer durch alle Systeme – verursacht durch die weltweite Pandemie. Das wäre dann endlich mal ein eindeutiger Vorteil der Globalisierung, die ich bisher eher kritisch gesehen habe. Welche Bruchlinien meine ich?

Auch wenn der Informationsstand des Einzelnen heute noch sehr stark vom Umfeld und seiner gesellschaftlichen Stellung in diesem Umfeld abhängt, so hat die Anzahl und die Qualität der Kommunikationskanäle durch die moderne Technik eine derart hohen Stand erreicht, dass dem Menschen auch im letzten Winkel der Erde nicht mehr so leicht ein X für ei U vorzumachen ist.

Für mich bedeutet das, alles läuft auf einen Kampf um das Gehirn und die Herzen der Menschen hinaus: Kompetenz gegen Unfähigkeit. Solidarität gegen Egoismus. Vertrauen wird in diesem Prozess das Zahlungsmittel sein.

Vertrauen ist das kostbarste und zugleich knappste Gut unter den Menschen.
Wegen meines hohen Alters weiß ich das. ;-(
Als Realist bleibe ich skeptisch.

Vertrauen vermehrt sich, wird weitergetragen vor allem von jungen Menschen.
Trotz meines hohen Alters glaube ich das. 😉
Als Optimist bleibe ich unverbesserlich.

<© Jörg Zschocke>


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